Veranstaltungen im Jubiläumsjahr 2025
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Rede des Stellvertretenden Ministerpräsidenten und Innenministers Thomas Strobl zur Stadtgründungsfeier am 9. Mai 2025 in Ludwigsburg

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Knecht, sehr geehrter Herr Landrat Allgaier, sehr geehrte Abgeordnete des Landtags von Baden-Württemberg, sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Biguinet, sehr geehrter Herr Prof. Dr. Baasner, sehr geehrte Frau Goulard, meine sehr geehrten Damen und Herren des Gemeinderats, verehrte Vertreterinnen und Vertreter von Behörden und des öffentlichen Lebens, liebe Gäste aus Montbéliard, sehr geehrte Damen und Herren,
es freut mich außerordentlich, dass ich heute hier in der Barockstadt Ludwigsburg zu Gast sein und anlässlich der Feierlichkeiten zur Stadtgründung zu Ihnen sprechen darf. Sehr gerne überbringe ich Ihnen als stellvertretender Ministerpräsident und Innenminister des Landes Baden-Württemberg auch die besten Grüße der gesamten Landesregierung!
Die langjährige Tradition der Stadtgründungsfeier im prunkvollen Residenzschloss Ludwigsburg dient der Erinnerung an die Grundsteinlegung dieses Schlosses im Mai 1704 und die damit begründete Entwicklung zur heutigen Stadt Ludwigsburg. Sie soll in diesem Jahr zur Feier einer ganz besonderen Freundschaft genutzt werden. Die älteste deutsch – französische Städteverbindung – die Freundschaft zwischen Ludwigsburg und Montbéliard – feiert in diesem Jahr bereits ihren 75. Jahrestag.
Städtepartnerschaften haben in Baden-Württemberg eine lange und gute Tradition. Und die Stadt Ludwigsburg gehört dabei eindeutig zu den Pionieren. Bereits im Jahr 1950 hat Ludwigsburg mit der französischen Stadt Montbéliard die erste deutsch-französische Städtepartnerschaft begründet. Dabei konnten die beiden Städte auf die, durch Vermählung der beiden Fürstenhäuser begründete, jahrhundertelange Verbundenheit von Württemberg und der Grafschaft Montbéliard aufbauen. Die entstandene Freundschaft wurde schließlich am 6. Mai 1962 offiziell beurkundet und dauert bis heute an.
Zusammen kann man vieles erreichen, was alleine undenkbar ist. Und aus diesem Grund sind Freundschaften und Partnerschaften, zwischen Menschen – aber eben auch zwischen Staaten und Kommunen – so gewinnbringend. Dies haben sich die beiden Städte Ludwigsburg und Montbéliard zu Herzen genommen. Sie haben sich zusammengeschlossen und sind gemeinsam, hier im Herzen Europas, in schwierigen Zeiten einen Schritt aufeinander zu und vorangegangen. Die deutsch-französische Partnerschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten in vielen Bereichen zu einer besonderen Freundschaft entwickelt, die es stets zu pflegen gilt. Und schon immer war diese Freundschaft von zentraler Bedeutung für die Weiterentwicklung der Europäischen Union, weswegen man bei diesem Verhältnis auch gerne vom „Motor Europas“ spricht. Europa macht stark und steht für Sicherheit, Frieden und Wohlstand. Doch in unserer Zeit mit ihren vielfältigen auch globalen Herausforderungen gelten diese Werte nicht mehr unwidersprochen. Welche Lösungen Europa und die Europäische Union für die innere Sicherheit und Verteidigung, die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, den Klimaschutz und die Migrationspolitik finden werden, ist entscheidend für unsere gemeinsame Zukunft in Europa.
Gute und nachbarschaftliche Beziehungen der europäischen Staaten können dazu beitragen, wirksame Lösungen für die Herausforderungen der aktuellen Zeit zu finden. Auf kommunaler Ebene waren solche Partnerschaften in den Anfangszeiten der Bundesrepublik – aus vielen Gründen – nicht selbstverständlich. So gab es kritische Stimmen, die den Kommunen eine internationale Partnerarbeit überhaupt nicht zugestehen wollten. Außenpolitik, so die damaligen Kritiker, sei allein der Bundesregierung vorbehalten. Mittlerweile ist diese – man muss heute fast sagen: weltfremde – Auffassung schon lange Geschichte. Es ist unbestritten, dass die Pflege von Städtepartnerschaften zu den kommunalen Aufgaben gehört, aber weit über diesen kommunalen Bereich hinaus ausstrahlen. Viel größer als die rechtlichen Hürden für solche Partnerschaften waren nach dem Ende des 2. Weltkrieges aber die Barrieren in den Köpfen. Es brauchte damals viel Mut, nach zwei Weltkriegen wieder aufeinander zuzugehen. Doch gerade die Idee hinter den entstehenden Städtepartnerschaften, die während dem Ersten und Zweiten Weltkrieg entstandenen Wunden zu heilen, ist das was den Städtefreundschaften ihre Kraft und ihre Bedeutung verleiht. Städtepartnerschaften sind ein ganz ausgezeichnetes Mittel, Menschen aus verschiedenen Ländern zusammenzuführen.
Heute wissen wir: Was die Ludwigsburger und nach ihnen viele andere Städte mit ihren Partnern in Europa und der Welt angepackt haben, war nicht nur mutig, es war richtig und wichtig. Es hat die Grundlagen mitgeschaffen für einen dauerhaften Frieden zwischen ehemals verfeindeten europäischen Nationen. Es hat die Fundamente für unser Haus Europa mitgelegt. Die Aussöhnung Deutschlands und Frankreichs spiegelt sich heute noch für Baden-Württemberg in den besonders engen nachbarschaftlichen Beziehungen wider. Diese Beziehungen sind entscheidend, um Frieden, Sicherheit und Freundschaft innerhalb Europas aufrecht zu erhalten. Unvergessen bleibt dabei der Besuch von Charles de Gaulles am 9. September 1962 in Ludwigsburg. In seiner historischen Rede hat er die Bedeutung der deutschen Jugend als „Kinder eines großen Volkes“ eben für die gelebte Aussöhnung zwischen Deutschen und Franzosen hervorgehoben.
Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine führt uns seit nunmehr über drei Jahren vor Augen, wie fragil dieses über Jahrzehnte gewachsene und gefestigte Gefühl von Frieden und Sicherheit in einem vereinten Europa doch ist und dass wir es gemeinsam aufrechterhalten müssen. Dabei sind die europaweite Solidarität und Unterstützung, welche die Menschen Europas der Ukraine leisten, aus meiner Sicht ein starkes Zeichen für den Zusammenhalt wie auch die Entschlossenheit, für Freiheit und einen gerechten Frieden einzustehen. Dabei ist die kommunale Ebene, insbesondere im Hinblick auf die Schutzsuchenden aus der Ukraine, eine gewaltige Stütze unseres Gemeinwesens. Gerade vor Ort in den Landkreisen und in den Gemeinden sind die Auswirkungen der Krise stets unmittelbar und direkt spürbar. Trotzdem – oder gerade deswegen – wird dort angepackt und unverzagt Verantwortung übernommen, von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und nicht zuletzt auch durch ein vielfältiges ehrenamtliches Engagement der Bürgerinnen und Bürger.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, seit Ende des Zweiten Weltkrieges schaffen Städtepartnerschaften Gelegenheiten der Begegnung – in der Schule, in der Ausbildung, im Sport, in der Kunst und in der Kultur, im Alltag und auf Festen. Die Partnerstädte können so einen Beitrag für den Frieden und die Versöhnung leisten. Jedenfalls bin ich davon überzeugt, dass im Rahmen solcher Partnerschaften von Stadt zu Stadt, Brücken gebaut werden können: Brücken, die nicht nur zwischenmenschlich und persönlich zu ganz neuen Ufern und Erfahrungen führen, sondern die auch manche Belastung und Irritation aus der großen Politik aushalten können. Denn Freundschaft ist das Band, das die Welt zusammenhält. Die erfolgreiche Partnerschaft zweier Städte – Ludwigsburg und Montbéliard – wäre nicht entstanden und wäre nicht möglich gewesen, wenn sich nicht Menschen mit ganz viel Optimismus, Engagement und Herzblut in dieses deutsch-französische Projekt eingebracht hätten. Deshalb möchte ich bereits an dieser Stelle auch Danke sagen. Danke an alle, die sich in den vergangenen 75 Jahren mit herausragender, inspirierender und enthusiastischer Arbeit eingesetzt haben für die gemeinsamen Ziele und Visionen.
Zwei Personen mit besonders herausragenden Verdiensten – Frau Marie-Noëlle Biguinet, Bürgermeisterin der Stadt Montbéliard, und Frank Baasner, der ehemalige Direktor des Deutsch-Französischen Instituts – werden hierfür heute noch eine Auszeichnung mit der Bürgermedaille erhalten. Sie haben die Freundschaft der beiden Städte, aber auch die deutsch-französischen Beziehungen insgesamt gestärkt. Eine fürwahr gute Entscheidung des Ludwigsburger Gemeinderats. Ihnen und allen anderen, die sich um die deutsch-französische Freundschaft bemüht und sich für diese eingesetzt haben und noch einsetzen sage ich: Merci beaucoup! 75 Jahre sind eine wirklich lange Zeit. Hierauf können Ludwigsburg und Montbéliard im Rückblick wahrlich stolz sein.
Was die Zukunft bringen wird, wissen wir – zum Glück – noch nicht. Doch möchte ich Sie ermutigen: Nutzen Sie den länderumfassenden Austausch und die vielfältigen Begegnungen in Kultur, Bildung, Jugend, Sport, Kirche, Wirtschaft oder Wissenschaft. Nicht nur mit Montbéliard, auch mit Menschen aus den weiteren Partnerstädten Ludwigsburgs: - Caerphilly in Großbritannien, - Jewpatorija in der Ukraine, - Saint Charles in den USA, - Nový Jičín in Tschechien und - Bergamo in Italien. Sie können davon nur profitieren!
Liebe Gäste, jetzt freue ich mich auf die Ehrungen, einen aufschlussreichen und interessanten Festvortrag, die musikalische Umrahmung und natürlich auf anregende Gespräche mit Ihnen im Laufe des Abends.
Wortkünstlerin Jessy James LaFleur bei der Stadtgründungsfeier am 9. Mai 2025 in Ludwigsburg

Wie man aus Trümmerresten Brücken baut
- Spoken Word von Jessy James LaFleur / Ludwigsburg 9. Mai 2025
Zwischen zerstörten Städten und verlorenen Blicken, unter dem Gewicht von Trauer und Hass, lag 1945 eine Stille, die alles erstickte, was jemals Sprache gewesen war. Die tiefe emotionale Narben und geographische Risse hinterließ, die die Hoffnung im Keim erstickte und Generationen für immer auseinander trieb. In Scherben sahen wir sie vor uns liegen: verloren, zerrissen, zerschlagen. Die gemeinsame Heimat, so nackt und fragil, so lag sie vor uns, die geliebte Europa.
Doch heute ist der 9. Mai 2025 und wir feiern dich, feiern dein stattliches Antlitz, dein strahlendes jugendliches Ich, das so sehr nach Aufbruch klingt, nach Grenzenlosigkeit.
Wir feiern deine Gegenwart, die wir nie anders gekannt haben, feiern das Miteinander in diesem Saal. Wir feiern dich, mit all deinen Facetten, und während wir dich feiern, stolpern wie noch immer auch über deine Trümmerreste.
Überbleibsel einer Vergangenheit, die uns schmerzlich an das grausamste Kapitel erinnert, welches auch nicht verhindert, dass der Rechtsruck in diesen Zeiten spürbar zurückkehrt. Wir stolpern über eine Geschichte, von der wir dachten, sie sei längst überstanden.
Wir stolpern wieder und sehen sie vor uns stehen: eine ängstliche Europa. Nous trébuchons sur une histoire que nous croyions révolue.
Nous trébuchons encore – et voyons là, debout devant nous : une Europe pleine de peur.
Sie kennt die Stille, kennt den Kampf, kennt die Feindschaft und den mühsamen Wiederaufbau eines Miteinanders.
Sie kennt ihren Wert und fragt sich, ob wir diesen noch sehen, fragt sich ob unsere Freundschaften auch die nächsten großen Krisen überstehen.
Es hat lange gedauert, bis aus Stille wieder Gespräche wuchsen. So lange, bis das Schweigen unerträglich wurde.
Sie hat so sehr gekämpft für den ersten Händedruck. Den ersten Schritt aufeinander zu.
Den Menschen für sie gegangen sind und vielleicht liegt darin auch ihre Hoffnung; dass überall Orte wie Ludwigsburg und Montbéliard existieren, die sich ewig bedingungslos für ihr Weiterbestehen einsetzen würden. So wie man auch 1948 in dieser Stadt nicht lange überlegte und die letzten Trümmerreste zusammen fegte, um aus den Steinen Brücken statt stummer Mauern zu errichten, auch gar nicht pompös, aber schrecklich mutig, zwei grammatikalisch-quälende Sprachen zusammen zu bringen, in einem Deutsch-Französischen-Institut, das nach einem neuen gemeinsamen Wortschatz suchte.
Und während sich der Rest von Europa noch neu sortierte, wurde hier ein erstes vorsichtiges Netz zwischen den Resten des Gegeneinanders drapiert.
Et pendant que le reste de l’Europe se remettait en place, ici on nouait les premiers fils entre les traces de ce qui nous avait séparés – enfin pour ne plus reculer.
Es war 1950, als Lucien Tharradin nicht von Rache, sondern von Verbundenheit sprach. Als Mann, der nicht nur Bürgermeister von Montbéliard, sondern auch Häftling im KZ Buchenwald gewesen war. Er sprach von Freundschaft, nicht von Hass, sprach von Begegnung, nicht als Ideal, sondern als Grundlage für einen Austausch, der Menschen wieder zusammen bringen würde.
Eine Geste über die wir noch heute stolpern, die uns für immer daran erinnert, dass Vergeltung nie eine Antwort sein sollte.
Und während sich Schritte gerade erst wieder annäherten, stürmten 1951 plötzlich 22 junge Männer auf einen Ludwigsburger Sportplatz, um eine Leidenschaft zu zelebrieren, die wirklich alle verstanden: Den Fußball - mit dem sie 90 Minuten lang die Nachkriegszeit ins Abseits flankten.
Eine Vorlage, die auch Anton Sauer und Jean-Pierre Tuefferd verstanden und mit ihren Unterschriften einen strategischen Sieg für uns alle verwandelten. Eine Städtepartnerschaft - geschaffen, um ewig zu halten. Semée il y a 75 ans par Montbéliard et Ludwigsburg, la graine est devenue un arbre robuste dans la forêt Europe - denn was damals gepflanzt wurde, ist auch heute noch ein kräftiger Baum. Doch Freundschaft verläuft selten gradlinig und auch Geschichte vergisst nicht.
Es ist 1966 und in Ludwigsburg wird ein ehemaliger SS-General beerdigt. Die alten Geister kehren in neuen Anzügen zurück, wir stolpern über 5000 Menschen, die jetzt auf neu gebauten Straßen marschieren, worauf die französische Presse mit Entsetzen reagiert.
Und so stolpert auch le Maire André Boulloche, Résistance-Kämpfer und Überlebender, über die quälenden Schatten der Vergangenheit, die so sehr schmerzen, dass die Beziehung zweier Städte, gewachsen um zu bleiben, nun droht im Keim zu ersticken, das zarte Miteinander steht urplötzlich auf der Kippe.
Auch die stärksten Brücken können erschüttern, wenn die Statik nicht stimmt. Und Pfeiler werden nicht tragfähiger durch politische Manöver, aber dank menschlicher Größen wie Otfried Ulshöfer. Frisch gewählter Ludwigsburger Oberbürgermeister, der keine Sekunde wartet, um in den nächsten Zug zu steigen.
Der an den Schmerzpunkt fährt, mitten ins Herz, wo das Vertrauen wackelt. Er hört zu, er spricht und auch André Boulloche versteht wie tief, wie wichtig die Verbindung zweier Städte, zweier Länder, zweier Sprachen, zweiter Chancen gerade ist.
Deux hommes qui ne se prennent pas dans les bras, mais qui se regardent en face. Deux hommes qui n’oublient rien, mais qui marchent à la même place: Pour leurs jeunes. Pour les matchs de foot. Pour les échanges d’égal à égal, au-delà des 310 kilomètres qui les séparent.
Pour un dialogue sans limite. Pour une Europe qui, aujourd’hui encore, a peur – puisqu’elle sait trop bien ce que la haine engendre en cœur.
Es ist 2025 und wir erleben ein „Wir“, das wieder bröckelt, wo Grenzen neu gezogen werden, nicht nur geografisch, sondern auch in den Köpfen, weswegen wir Geschichten wie diese noch öfter erzählen müssen. Weil Versöhnung kein Zustand ist, sondern ein Prozess. Weil Frieden keine Haltung ist, die man einmal einnimmt – weil man sie täglich vertritt. Unsere Europa ist kein Selbstläuferin.
Kein Konzept, das sich von selbst am Leben hält. Kein Wert, der auf ewig sicher ist. Europa ist Arbeit. Aufmerksamkeit.
Eine tägliche Entscheidung – zwischen Abschottung und Freiheit. Zwischen Wiederholung und Weitergehen, erbaut aus Trümmerresten, die wir nicht mehr sehen, doch die sich immer noch unter unseren Schritten befinden, stille Zeitzeugen, die uns immer wieder stolpern lassen, um uns an die Fragilität unseres Zusammenlebens zu erinnern. So wurde die Freundschaft zweier Städten zum Symbol für ein Europa, das nicht mit großen Gesten beginnt, sondern mit Zuhören. Mit Geduld. Mit dem Willen, das Verbindende zu leben, mit der Aufgabe für demokratische Werte einzustehen.
Nous sommes le 9 mai 2025, et nous te célébrons – nous célébrons ton visage fier, ton éclat de jeunesse qui résonne comme un nouveau départ, une promesse sans frontières, un rêve sans remparts. Nous célébrons ton présent, tel qu’on l’a toujours co-nnu, la chaleur de ce lien, dans cette salle, jamais rompu. Nous te célébrons, toi, l’Europe aux mille reflets, et on se souvient aussi de tes cicatrices, de ton passé, que tu portes à jamais.
Wir feiern deine Gegenwart, die wir nie anders gekannt haben, feiern das Miteinander in diesem Saal. Wir feiern dich, mit all deinen Facetten, und weil wir dich feiern, erinnern wir auch weiterhin an deine Trümmerreste. Wir erinnern uns, ans Stolpern, ans Weitermachen, an Ludwigsburg und Montbéliard. Und ich danke euch für euren Mut, Geschichte zu tragen, für die Kraft, weiterzugehen für die Motivation, Zerstörtes in Brücken zu verwandeln.
Noch immer Hand in Hand, mit Marie-Noëlle Biguinet und Matthias Knecht. Über alle Grenzen hinweg. Für ein Europa, das zuhört, das festhält, das niemals vergisst. Vor allem nicht, wie wichtig, wie formidable, wie wertvoll unser Miteinander in diesem Europa ist.
Montbéliards Bürgermeisterin Marie-Noëlle Biguinet nach Erhalt der Bürgermedaille am 9. Mai 2025 in Ludwigsburg

75. Jahrestag der Städtepartnerschaft zwischen Montbéliard und Ludwigsburg
Herr Innenminister des Landes Baden-Württemberg, Herr Oberbürgermeister von Ludwigsburg, Sehr geehrte Damen und Herren der Politik auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene,Sehr geehrte Damen und Herren Mitglieder der Stadtverwaltung, des Stadtrats und des Jugendgemeinderats, sehr geehrte Ehrengäste,sehr geehrte Vertreter von Verbänden und Institutionen, der lokalen Wirtschaft und der Banken, sehr geehrte Vertreter der Kirchen, meine Damen und Herren der Schulleitungen und liebe Lehrkräfte,meine Damen und Herren, liebe Freunde,
mit tiefer Bewegung und großer Dankbarkeit nehme ich heute Abend im Rahmen der Stadtgründungsfeierlichkeiten in diesem wunderschönen Schloss die Bürgermedaille der Stadt Ludwigsburg entgegen. Von Ihrer Stadt auf diese Weise geehrt zu werden, ist ein seltenes Privileg, dessen ich mir voll bewusst bin. Es ist eine Ehre, und ich möchte Ihnen, lieber Matthias, sowie Ihrem gesamten Gemeinderat meinen Dank für dieses Zeichen des Vertrauens und der Freundschaft sagen.
Seit 75 Jahren pflegen Montbéliard und Ludwigsburg eine aufrichtige und tiefe Freundschaft, die durch einen reichen und vielfältigen Austausch in den unterschiedlichsten Bereichen genährt wird. Diese Medaille ist daher weit mehr als eine persönliche Auszeichnung, sie ist ein Zeugnis des gemeinsamen Engagements unserer beiden Gemeinden, und ich widme sie in aller Demut den aktuellen und früheren Partnern in Montbéliard, die zur Freundschaft zwischen unseren Mitbürgern beitragen. Ich denke dabei insbesondere an die Sport- und Kulturvereine sowie an die Bildungseinrichtungen.
Mit großer Rührung denke ich auch an Louis Souvet, den letzten Montbéliarder, der diese Auszeichnung erhalten hat. Er war mir ein Mentor, und ich fühle mich geehrt, in seinen Fußstapfen auf diesem Weg der Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Städten zu wandeln. Sein Vermächtnis lebt in unseren gemeinsamen Aktionen weiter, und ich verpflichte mich, seinen Geist der Brüderlichkeit fortzuführen.
Ich möchte auch Herrn Dr. Frank Baasner, den ehemaligen Direktor des Deutsch-Französischen Instituts in Ludwigsburg, der unsere Städtepartnerschaft ins Leben gerufen hat, herzlich begrüßen. Er erhält heute dieselbe Auszeichnung. Sein Engagement für die Annäherung zwischen unseren beiden Ländern war und ist vorbildlich. Sie verdienen meine ganze Bewunderung. Es ist eine Ehre, diesen Moment mit einer so inspirierenden Persönlichkeit zu teilen.
Das Schloss, Zeuge der Geschichte Ludwigsburgs, ist ein wunderschöner Rahmen, um das 75-jährige Jubiläum unserer Städtepartnerschaft und die unerschütterlichen Bande, die unsere beiden Städte verbinden, zu feiern. Und diese Medaille in der Nähe der Ahnenhalle zu erhalten, hat eine besonders starke symbolische Bedeutung. Die Darstellung der Herrscherdynastie, die sowohl über Württemberg als auch über Montbéliard regierte, erinnert an die Bedeutung unserer gemeinsamen Geschichte, die die Pioniere der Versöhnung geprägt hat und in der wir uns wiederfinden.
Herr Oberbürgermeister, liebe Freunde aus Ludwigsburg, ich danke Ihnen von ganzem Herzen für diese Auszeichnung. Das Vertrauen, das Sie mir entgegenbringen, berührt mich zutiefst. Diese Medaille ist eine wertvolle Anerkennung unserer gemeinsamen Bemühungen und eine Quelle der Inspiration für die weitere Zusammenarbeit.
Heute ist der 9. Mai, ein symbolträchtiger Tag, denn es ist Europatag. An diesem Tag jährt sich die Schuman-Erklärung, mit der der französische Außenminister den Grundstein für die europäische Zusammenarbeit legte. Sie gilt heute als Geburtsstunde der Europäischen Union, und ist mit 75 Jahren genauso alt wie unsere Städtepartnerschaft. Sie feiert den Frieden und die Einheit in Europa!
Angesichts der internationalen Lage und der großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, muss Europa ein Ort der Toleranz, der Freiheit, der Demokratie und der Souveränität bleiben. Mehr denn je muss es eine engagierte und bürgernahe Gesellschaft bleiben, die bildet, informiert und schützt. Dazu muss jeder von uns unermüdlich gegen Kriminalität, Intoleranz und Fanatismus kämpfen. In diesem Sinne haben unsere Verpflichtungen die Kraft, den Lauf der Dinge umzukehren, denn Einheit und gemeinsame Anstrengungen sind das beste Mittel, um das zu bekräftigen, woran wir glauben. Bleiben wir also wachsam. Die Lehren der Vergangenheit geraten schnell in Vergessenheit, und die Konflikte, die unsere Welt noch immer zerreißen, erinnern uns daran, dass Frieden und Demokratie zerbrechlich sind. Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Bedrohungen das zerstören, was unsere Vorfahren aufgebaut haben.
Lasst uns daher gemeinsam und mehr denn je Brücken zwischen unseren Kulturen bauen, den Frieden fördern und die freundschaftlichen Bande zwischen unseren beiden Städten und ihren Einwohnern stärken.
Es lebe die deutsch-französische Freundschaft! Es lebe die Städtepartnerschaft zwischen Ludwigsburg und Montbéliard! Es lebe Europa!
Holocaust-Zeuge Pierre-Michel Kahn im Rahmen der Ausstellung "Gesichter und Stimmen aus Ludwigsburg und Montbéliard" am 10. Mai 2025 in Ludwigsburg
Rede von Pierre-Michel Kahn im Kulturzentrum der Stadt Ludwigsburg
Il y a 75 ans, le Maire de Montbéliard, M. Tharadin, résistant, qui avait connu les camps nazis, a pris avec son confrère, Maire de Ludwigsburg, l’initiative du jumelage entre les deux villes. Il prouvait ainsi qu’il ne confondait pas la population allemande avec les criminels nazis dont il avait souffert.
Vor 75 Jahren, , Lucien Tharadin, Bürgermeister von Montbéliard, ein Widerstandskämpfer, der die nationalsozialistischen Konzentrationlager überlebt hatte, nahm die Initiative, zusammen mit sein Kolleg, Oberbürgermeister von Ludwigsburg, zur Partnerschaft zwischen den beiden Städten. Damit bewies er, dass er das deutsche Volk nicht mit den nationalsozialistischen Verbrechern gleichsetzte, unter deren Gräueltaten er selbst gelitten hatte.
Je suis né à Montbéliard dans une famille juive. Mes parents Alice et Gaston Kahn en ont été déportés, pour être exterminés à Auschwitz, et je viens à mon tour rencontrer les habitants de Ludwigsburg, dans le même esprit d’empathie.
Ich stamme aus Montbéliard und komme aus einer jüdischen Familie. Meine Eltern, Alice und Gaston Kahn, wurden aus Montbéliard deportiert und in Auschwitz ermordet. Heute komme ich ebenfalls, im gleichen Geist der Versöhnung, zu den Einwohnern von Ludwigsburg.
Je suis toujours très attaché à Montbéliard, la ville où sont nés mon père et sa mère. Dans cette ville, les habitants ne se sont pas associés à l’hostilité décrétée contre les Juifs par l’occupant et le gouvernement de Vichy. Je me souviens des personnes qui nous parlaient dans la rue pour nous réconforter, malgré l’étoile juive cousue sur nos poitrines.
Ich bin immer mit Montbéliard sehr verbunden. Mein Vater und sogar seine Mutter sind in Montbéliard geboren. Montbéliard, dessen Bevölkerung sich nicht der Judenfeindlichkeit anschloss, wie sie von den Besatzern und der Vichy-Regierung propagiert wurde. Ich erinnere mich an Leuten, die uns auf der Straße ansprachen, um uns Trost zu spenden, während uns die Nazis verboten hatten, ohne den gelben Stern, auswärts zu sein.
Et c’est une Montbéliardaise, Lou Blazer, Juste parmi les Nations, résistante, qui le 24 Février 1944, a réussi au dernier moment, à m’extraire de la prison d’où les trente Juifs vivant encore à Montbéliard, parmi lesquels mes parents, ont été envoyés dans les camps de la mort.
Und es war eine Bürgerin von Montbéliard, Lou Blazer, die als Gerechte unter den Völkern anerkannt ist und im Widerstand tätig war, die am 24. Februar 1944 im letzten Moment erreichte, mich aus dem Gefängnis zu befreien. Diesem Gefängnis, aus dem die letzten dreißig in Montbéliard lebenden Juden, darunter meine Eltern, in die Todeslager deportiert und ermordet wurden.
Mais, est-ce un hasard que ce jumelage entre nos deux villes, tant on y trouve des similitudes, des correspondances ? Non. Car il existait de nombreuses ressemblances entre les deux villes, ainsi qu’un passé commun, l’appartenance aux Princes de Wurtemberg.
Die Wahl Ludwigsburgs war keineswegs zufällig, denn es gab zahlreiche Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Städten, ebenso eine gemeinsame Vergangenheit: die Zugehörigkeit zu den Fürsten von Württemberg.
Avant la guerre, et jusqu’à 1933 pour Ludwigsburg, la population juive faisait partie du paysage, et ne s’attirait aucune différence.Les deux villes avaient une population juive équivalente, d’environ quarante familles, et l’on y trouvait toutes les professions.
Vor dem Krieg – und in Ludwigsburg bis 1933 – war die jüdische Bevölkerung vollkommen integriert. Sie gehörte ganz selbstverständlich zum Stadtbild und war in keiner Weise von anderen unterschieden.
Beide Städte hatten eine ähnliche jüdische Gemeinschaft.
Le culte israélite était pratiqué dans les deux villes à l’égard de celui des autres confessions. Chacune possédait une synagogue, au centre de la ville, ce qui jusqu’à la Kristallnacht a fait partie du cours normal des choses.Il se trouve aussi que, lors de la première guerre mondiale, les deux villes avaient eu un Maire juif : à Ludwigsburg, Max Elsas , et Gustave Ulmann à Montbéliard.
Die jüdische Religion wurde in beiden Städten ebenso selbstverständlich praktiziert wie die anderer Konfessionen. In beiden Städten gab es eine Synagoge, jeweils im Stadtzentrum. Bis zur Kristallnacht war das etwas ganz Normales.
Eine interessante Besonderheit: Während des Ersten Weltkriegs hatten beide Städte einen jüdischen Bürgermeister: in Ludwigsburg Max Elsas, der den eingezogenen Bürgermeister vertrat, und in Montbéliard längerfristig Gustave Ulmann.
C’est en Novembre 1938, que les choses changèrent de façon dramatique à Ludwigsburg, même si la vie des citoyens juifs se trouvait déjà totalement bouleversée depuis l’arrivée des Nazis au pouvoir en 1933 . Les vitrines des magasins juifs furent détruites, les juifs furent molestés, et la synagogue brûlée par les SA, membres du parti nazi. De nombreux citoyens en ont été choqués, un Directeur de journal écrivant : « Ich schäme mich, j’ai honte ».
Im November 1938 änderte sich die Lage in Ludwigsburg dramatisch, obwohl die Machtübernahme der Nationalsozialisten in 1933 das Leben der jüdischen Bürger schon völlig verändert hatte.
In der Kristallnacht wurden die Schaufenster jüdischer Geschäfte eingeschlagen, Juden misshandelt und die Synagoge von SA-Männern, Mitgliedern der NSDAP, in Brand gesteckt. Viele Bürger waren darüber entsetzt; ein Zeitungsredakteur schrieb: „Ich schäme mich“.
Il n’est pas indifférent de voir des rues portant le nom d’éminents citoyens de Ludwigsburg de religion juive : la rue du Docteur Walter Pintus, un médecin dévoué qui s’est suicidé lors de la Kristallnacht du 10 Novembre 1938 et la rue Max Elsas, industriel et ancien Maire, déporté et mort à Theresienstadt.
Es ist von Bedeutung, dass in Ludwigsburg Straßen nach jüdischen Bürgern benannt sind:
Die Dr.-Walter-Pintus-Straße erinnert an den Arzt, der sich in der Kristallnacht am 10. November 1938 das Leben nahm, und die Max-Elsas-Straße an den Industriellen und ehemaligen Oberbürgermeister, der deportiert wurde und in Theresienstadt starb.
À Ludwigsburg, l’aménagement de la Place de la Synagogue et les Stolpersteine rappellent aux passants l’horreur de cette période. Montbéliard, de son côté, honore à divers endroits Lou Blazer, dont un Collège porte le nom.
Der Synagogenplatz und die Stolpersteine erinnern die Passanten an die Schrecken dieser Zeit.Montbéliard seinerseits ehrt Lou Blazer an mehreren Orten – eine Schule trägt ihren Namen.
Quelle meilleure preuve de fraternité que les deux premières tombes du cimetière juif de Ludwigsburg, un soldat français, Isidore Michel, et un soldat allemand, Heinrich Heidemann, ennemis dans la vie, soient unis dans la mort.
Was könnte ein besseres Symbol der Brüderlichkeit sein als die beiden ersten Gräber auf dem jüdischen Friedhof von Ludwigsburg: ein französischer Soldat, Isidore Michel, und ein deutscher Soldat, Heinrich Heidemann – im Leben Feinde, im Tod vereint.
C’est pour moi un honneur de pouvoir assister au 75 ème anniversaire du jumelage, et je remercie les municipalités de Ludwigsburg et de Montbéliard de m’y avoir invité.
Es ist mir eine Ehre, am 75. Jahrestag der Städtepartnerschaft teilnehmen zu dürfen, und ich danke den Stadtverwaltungen von Ludwigsburg und Montbéliard herzlich für ihre Einladung.