Projekt sensibilisiert Kinder für das Thema sexualisierte Gewalt

„Weil du wertvoll bist“ – unter diesem Titel fand in den vergangenen Wochen ein Projekt zum Thema sexualisierte Gewalt in den drei vierten Klassen der Grundschule Oßweil statt. Dafür war die selbständige Sexualwissenschaftlerin Ayke-Vanessa Böhmer zu Gast in der Schule und besprach die Themen „Mein Körper“, „Grenzen setzen“ und „Hilfestellen kennen“.

Böhmer begegnete den Kindern offen und spielerisch. Ausgehend von Themen wie Körperpflege, körperlichen Veränderungen in der Pubertät und allgemeiner Aufklärung sprach sie mit ihnen auch über Körperstellen, an denen man nicht berührt werden möchte.

Sie gab kleine Tipps – etwa, dass Eltern beim Arztbesuch mit ins Behandlungszimmer gehen sollten und dass es in Ordnung ist, „Nein“ zu sagen, auch wenn man jemanden sehr gern hat. Wenn Kinder feuchte Küsse von Verwandten unangenehm finden, dürften sie dies mitteilen und sich und ihren Körper schützen. Außerdem informierte die Expertin über gute und schlechte Geheimnisse, den Unterschied zwischen Petzen und Hilfe holen und darüber, dass es bei bestimmten Problemen sinnvoll ist, sich an Erwachsene zu wenden.

„Sexualisierte Gewalt ist häufig kein Ausdruck einer krankhaften Neigung, sondern ein Ausdruck von Machtmissbrauch“, erläutert Ayke-Vanessa Böhmer. „Die Täter kommen meist aus dem nahen Umfeld der Kinder – häufig sind es männliche Bezugspersonen.“ Dennoch dürften Frauen als Täterinnen nicht ausgeschlossen werden – das zeige sich in der Praxis.

Sexualisierte Gewalt beginne oft viel früher, als viele denken – nämlich schon dort, wo Grenzen übertreten werden: durch Berührungen, die sich nicht gut anfühlen, durch Worte, die verunsichern, oder auch durch Nachrichten oder Bilder über digitale Medien.

„Etwa 50 Prozent der betroffenen Kinder und Jugendliche schweigen – aus Angst, aus Scham oder weil ihnen die Worte fehlen. Deshalb ist es so wichtig, ihnen Räume zu geben, in denen sie lernen, über ihr Bauchgefühl zu sprechen und sich Unterstützung zu holen“, weiß Böhmer.

Ähnliche Projekte wie an der Grundschule Oßweil finden an mehreren Ludwigsburger Grundschulen in den dritten und vierten Klassen statt. Dank der vollumfänglichen Finanzierung durch das Förderprogramm „Aktionstaler Kinder- und Jugendschutz“ der Allianz für Beteiligung e.V. und das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg konnte in der Grundschule Oßweil die Sexualwissenschaftlerin Ayke-Vanessa Böhmer dafür gewonnen werden. An anderen Schulen übernehmen zum Beispiel die Beratungsstellen Silberdistel oder pro familia oder die Schulsozialarbeitenden die Projektbegleitung.

Nico Blum, Leiter der Abteilung Jugend im städtischen Fachbereich Bildung und Familie sieht die Dringlichkeit, das Thema sexualisierte Gewalt aufzugreifen: „Statistisch gesehen sind in Deutschland in jeder Schulklasse ein bis zwei Kinder, die bereits Opfer von sexualisierter Gewalt wurden oder noch werden. Alle Maßnahmen, die die Kinder in der Selbstbestimmtheit ihres Körpers stärken, tragen dazu bei, dass sie sich in übergriffigen Situationen schützen können.“

Die Stadt Ludwigsburg hat ein umfassendes Schutzkonzept gegen Gewalt an Kindern und Jugendlichen entwickelt. Es gilt für alle städtischen Einrichtungen, in denen sich Kinder und Jugendliche aufhalten. Das Konzept setzt auf Prävention und Sensibilisierung. Es gibt klare Verfahrensweisen, wie bei Verdachtsfällen von Gewalt oder Missbrauch vorzugehen ist. Fortbildungen und Schulungen für Mitarbeitende sollen sicherstellen, dass das Schutzkonzept bekannt ist und umgesetzt wird.

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